Das Haus in der Puschkinstraße 20 gehört zu den ältesten Schwerins, es ist sogar das älteste Gebäude der Schweriner Schelfstadt. Nach dendrochronologischer Untersuchung wurde es im Jahre 1698 errichtet. Es handelt sich um ein zweigeschossiges, giebelständiges Bürgerhaus aus Fachwerk, das nach altertümlicher Manier über einen eigenständigen kurzen Wohnflügel (Kemladen) verfügt. In seiner Bauweise folgt es den mittelalterlichen Dielenhäusern, wie sie die Küstenstädte prägten und in Schwerin noch im Eckhaus Puschkinstraße 36 zu erleben ist. Das Erdgeschoß teilt sich in einer große Diele auf der Durchfahrtsseite, die ursprünglich das gesamte Vorderhaus durchmaß, und einer schmaleren Raumflucht von Kontor/Dörnse und Küche auf der anderen Hausseite, abgetrennt durch eine Fachwerkwand. Das Obergeschoß besaß und besitzt einen Mittelflur, von dem aus dann Stuben und Kammern erschlossen waren. Der Dachboden wurde erst im Verlauf des 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts ausgebaut und genutzt. Im Seitenflügel teilte eine mittige Trennwand je zwei Räume im Erd- und im Obergeschoß ab, darunter befindet sich ein lang gestrecktes Tonnengewölbe aus Felsteinwänden und Backsteingewölbe. Ungewöhnlicherweise wurde nicht nur für das Außenfachwerk Eichenholz verwendet, sondern auch für Binnenwände, Decken und Dachwerk.

Der erste Eigentümer des Hauses ist unbekannt, ebenso eine mögliche Nutzung. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts tritt es als Brauhaus in Erscheinung. 1788 wird es um den Durchfahrtsflügel erweitert – über der Hofdurchfahrt befinden sich noch ein nutzbares Stockwerk und ein Dachboden. Als die Schelfstadt als barocke Planstadt im Jahre 1705 angelegt wurde, existierte das Haus also schon. Die vorhandene, lockere Bebauung wurde einem neuen Raster untergeordnet und so stand das Haus immer außerhalb der Flucht. Im Jahr 1825 wurde die Straßenfassade über der Vorkragung vollständig erneuert, nachdem das Erdgeschoß bereits mit der Errichtung des Durchfahrtflügels erneuert worden war.

Die Nutzung als Brauhaus prägte den großen Hof, der sich ursprünglich bis zur Münzstraße durchzog und von zahlreichen Wirtschaftsgebäuden bestanden war. Um 1884 erhielt das Haus eine Schankstube mit historistischer Vertäfelung, im Kemladen ein gleichartigen Kontorraum. In den 1920er Jahren zogen eine Spirituosenfabrik und eine Dampfbäckerei ein. Letztere bestand bis ca. 1993, die letzten Mieter waren schon vor 1988 ausgezogen; seitdem war das restliche Haus baupolizeilich gesperrt und sollte abgebrochen werden. Daraufhin stand das Gebäude leer und verfiel zusehends. Nach der Wende gehörte es einem Privateigentümer, von dem es die Stadt Schwerin um 2008/09 kaufte, um die Altlasten zu sanieren, die sich in den zu DDR-Zeiten teilweise als Galvanisieranstalt genutzten Hofgebäuden angesammelt hatten. Aufgrund von Leerstand und Kontamination wurden anschließend sämtliche Wirtschaftsgebäude abgebrochen. Durch die Stadt Schwerin wurden die wandfesten Vertäfelungen, Windfang, Verkaufstresen etc. eingelagert, zusätzliche Aussteifungen sicherten den Bestand des Gebäudes. Die Grundsubstanz war jedoch so tiefgreifend geschädigt, daß ein Einsturz jederzeit zu befürchten stand. Von November 2013 bis August 2014 wurde das Haus durch die Schelfbauhütte grundlegend instand gesetzt und damit für die Zukunft bewahrt.


Dr. Tilo Schöfbeck


hier geht‘s weiter zu bauforscher.de

 

Eine kleine Hausgeschichte